Philosophin




Monografie (2025):
Annetzung. Handeln durch Technologie und Imagination
Durch die verstetigte Annetzung mit Technologie und Imagination als Individuum wie als Gesellschaft befinden wir uns heute zunehmend in einer erkenntnistheoretischen Krise und ethischen Handlungsnot. Durch den Prozess der Annetzung – eine Kulturtechnik, die es Akteuren ermöglicht, ihre Präsenz und Identität in virtualisierte Räume zu erweitern – verlangt der interdisziplinäre Diskurs über die Entwicklung und Nutzung von Systemen der Technologie und Imagination neue Begrifflichkeiten. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, ein tieferes Verständnis der Interaktion zwischen Akteuren und Systemen zu entwickeln und deren Einfluss auf Konzepte der Realität, Handlung und Körperlichkeit zu beleuchten. Dies umfasst die Erkundung neuer Ontologien, eine Neuverhandlung bisheriger Begriffe und Kategorien und damit die Herstellung einer präziseren Sprache, die es uns erlaubt, unsere durch Technologie und Imagination erweiterten Erfahrungen zu beschreiben und ethisch zu beurteilen. Auf diese Weise sollen disziplinübergreifende Vergleiche und neue Begriffsentwicklungen ermöglicht werden, um aktuelle wie zukünftige Technologien besser reflektieren und fassen zu können. Die Abhandlung stellt damit einen der ersten Versuche dar, Reflexionen der Erkenntnistheorie und der angewandten Ethik im Blick auf Technologie und Imagination neu zu strukturieren und zu begründen.
Um das Verständnis des Handelns durch Technologie und Imagination mit neuer Terminologie anzureichern, werden zunächst innerhalb des theoretischen Teils drei begriffliche Werkzeuge entwickelt und präsentiert: «Weltmodus», «Abstraktion» und «Annetzung».
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Der Begriff des Weltmodus kategorisiert und beschreibt alle virtualisierten Systeme, in denen wir handeln können. Basierend auf dem Unterhalt des Systems und der Art der Virtualisierung gehören Systeme, mit welchen wir uns annetzen, entweder zum Weltmodus der Imagination (Mundus Imaginatus), zum empirischen Weltmodus des Gegebenen (Mundus Datus) oder/und zum technologischen Weltmodus der Erweiterung (Mundus Computatus). Innerhalb dieser Weltmodi operieren unterschiedliche Akteure, sogenannte Weltwechsler: Synergenten, Menschen und Tiere, die der Mundus Datus entstammen; Apparenten, Erscheinungen des Mundus Imaginatus und Mundus Computatus; Referenten, physische Objekte der Mundus Datus; Konvergenten, z. B. Roboter, die aus dem Mundus Computatus in den Mundus Datus annetzen, und Pretendenten, die jeweils eine dieser Akteurarten sind, sich jedoch als eine andere ausgeben.
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Die Abstraktion beschreibt, wie abstrakt etwas wahrgenommen wird und inwiefern Wahrnehmung, Handlung, Interaktion und Präsenz innerhalb des Systems dadurch beeinflusst werden können. Es werden verschiedene Abstraktionslevel beschrieben: von der Denotation, einer symbolischen oder begrifflichen Darstellung ohne direkte sensorische Qualitäten, über die Surrogation und Potentation, welche die Funktion oder Eigenschaften einer Entität durch andere Mittel andeuten, bis hin zur Exemplifikation, die eine nahezu vollständige sensorische Darstellung der Eigenschaften bietet. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Weisen, wie sich ein Akteur, ein System, ein Objekt oder eine Handlung präsentieren und wie sie in ihrem Gegeben-Sein erfahren werden können.
Die Annetzung beschreibt den individuellen und gesellschaftlichen Prozess, in dem wir uns in virtualisierte Systeme der Technologien und Imaginationen hineinbegeben und dort beginnen, wahrzunehmen und zu handeln. Im theoretischen Teil spielt die Metapher des Wasserspiegels eine zentrale Rolle, um den Prozess der Annetzung von Akteuren in verschiedene Weltmodi zu veranschaulichen. Der Wasserspiegel symbolisiert die Linie zwischen zwei Weltmodi, in denen sich Weltwechsler hin und herbewegen können. Dieses Bild soll zeigen, wie Akteure die Grenze zu einem anderen Weltmodus (durch technologische Mittel) überwinden und je nach Annetzungsstufe in unterschiedlichem Maße mit ihm interagieren. Diese Annetzungsstufen beschreiben die Tiefe, mit der sich ein Akteur in einen bestimmten Weltmodus einbringt, und sind maßgeblich dafür, wie Technologien und Prothesen zur Körperlichkeit, Präsenz und den kausalen Folgen von Handlungen beitragen. Verschiedene Annetzungsmethoden und Prothesen führen zu unterschiedlichen Systemen, die sich anhand der Annetzungsstufen neu einteilen lassen. Adlersysteme, wie das telepräsente Steuern eines Roboters in der Tiefsee, vollziehen sich in der Körperlichkeit und der Wahrnehmung im herkömmlichen Weltmodus, während sie minimale Interaktionen mit einem anderen Weltmodus durchführen. Der Akteur netzt sich kaum mit dem neuen Weltmodus an, was eine distanzierte Überwachung oder Interaktion erlaubt. Ähnlich beschreiben Fregattsysteme eine minimale Annetzung in den neuen Weltmodus, indem sie den Wasserspiegel metaphorisch berühren: Während man im herkömmlichen Weltmodus körperlich angenetzt bleibt, nutzt man beispielweise Bildschirmtechnologien, die eine geringfügige Interaktion mit dem neuen Weltmodus ermöglichen. Im Unterschied dazu reizen Pelikansysteme die Grenze des Weltmodus stärker aus, indem die Akteure ihre körperlichen Handlungen grösstenteils im herkömmlichen Weltmodus ausführen, jedoch im angenetzten Weltmodus wahrnehmen. In der Wasserspiegel-Metapher befinden sich die Akteure teils oberhalb, teils unterhalb des Wasserspiegels, wobei ihre Aufmerksamkeit und körperliche Präsenz zwischen den Welten aufgeteilt wird. Beispiele dafür sind Virtual-Reality-Systeme mit VR-Brillen als Prothesen. Pinguinsysteme repräsentieren die tiefste Stufe der Annetzung, wo die Akteure vollständig ins Wasser tauchen und damit fast gänzlich im neuen Weltmodus präsent sind, wo sie auch handeln. Eine solche nahezu umfassende Immersion wird durch das Träumen, aber auch durch Neurotechnologien wie Human Brain Interfaces (HBI) erreicht. Diese Annetzungsstufen sind von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der körperlichen und psychologischen Auswirkungen der Annetzung. Sie beeinflussen unmittelbar, wie Individuen ihre Umgebung, ihre eigene Identität und ihre Handlungen innerhalb und außerhalb der virtualisierten Systeme wahrnehmen und erleben. Durch die erarbeiteten Konzepte werden ansatzweise bestehende Begriffe aus der Technophilosophie, der Computerwissenschaft, der Erkenntnistheorie und der Sprachphilosophie weiterentwickelt.
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Die im theoretischen Teil vorgenommenen Überlegungen bedingen sich wechselseitig und eröffnen neue Perspektiven für den wissenschaftlichen Diskurs der Human Computer Interaction (HCI). Die Erkenntnisse tragen dazu bei, die Entwicklung von Annetzungsmethoden und -technologien zu reflektieren und mögliche terminologische und kategoriale Grundlagen für den Prozess der Annetzung sowohl mit dem Technologischen als auch mit dem Imaginären zu setzen. Am Beispiel des Deus Capra (bei dem der Avatar einer Ziege gesteuert wird, der einen körperlichen Übergriff erfährt) wird gezeigt, dass und wie die neuen begrifflichen Werkzeuge es ermöglichen, über Situationen und Phänomene der Annetzung, die bisher schwer zu beschreiben waren, präziser zu sprechen. Ausserdem zeigt der theoretische Teil, dass die Annetzung mit dem Mundus Computatus Konzepte von Realität, Identität, Körperlichkeit und Handlung destabilisiert und dass es einer erweiterten Auseinandersetzung mit den psychologischen, sozialen und nicht zuletzt ethischen Aspekten der Annetzung bedarf. Zudem erweist sich eine konsequente Technologieanwendung als notwendig, um eine verantwortungsbewusste Entwicklung und Nutzung von virtualisierten Systemen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund werden bestehende Ethiken und Regelwerke im Blick auf die Entwicklung und Nutzung von Technologien, Computerspielen, Robotern und Maschinen diskutiert.
Im praktischen Teil, der sich zunächst mit den ethischen Herausforderungen beschäftigt, werden die Grundpfeiler einer Ethik der Annetzung gelegt: Netzt sich ein Akteur in einen neuen Weltmodus an, verändern sich durch den Weltwechsel die bisher bekannten Strukturen. Dies wird als Fluidität 1) des Selbst, der Welt und der Handlung beschrieben. Die Sickerung 2) thematisiert die Herausforderung, dass Wissensinhalte, Handlungsmuster und deren Folgen aus einem Weltmodus in einen anderen übergehen und ihn beeinflussen können. Die Konfluenz 3) benennt das Zusammenfliessen von bisherigen Konzepten mit Erfahrungen der Dissonanz, was die Notwendigkeit einer Neuverhandlung des Realen, des Hypothetischen und der Akteure an sich nahelegt.
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Um diesen Herausforderungen zu begegnen, empfiehlt die Abhandlung in der Form postulierter Handlungsempfehlungen die Entwicklung klarer Kommunikationsrichtlinien für den Weltmodus aller Akteure und Inhalte, um Welttransparenz und damit das Wissen über den jeweiligen Weltmodus herzustellen. Als weiteres fundamentales Postulat bedingt der Weltwechsel, den angenetzten Weltmodus jederzeit verlassen zu können, was die Bedeutung der Autonomie aller Weltwechsler unterstreicht. Das Postulat der Weltnähe hebt die Bedeutung der physischen und emotionalen Verbindung und den allgemeinen Zugang zu den Weltmodi hervor und fördert eine tiefe Immersion, während gleichzeitig kritische Distanz gewahrt bleiben muss, um eine reflektierte und verantwortungsbewusste Annetzung zu ermöglichen. Das Postulat der Weltkontrolle befasst sich mit den Rahmenbedingungen und Mechanismen, die erforderlich sind, um die Interaktionen innerhalb der verschiedenen Weltmodi zu regulieren und zu kontrollieren. Wer sich oder andere annetzt, verpflichtet sich. Dahinter steckt die Notwendigkeit, Pflichten und Massnahmen zu implementieren, die sicherstellen, dass die Technologien und Methoden, die zur Annetzung verwendet werden, ethischen Standards entsprechen und die Grundrechte der Weltwechsler wahren. Das letzte Postulat des Welteigentums beinhaltet den Besitz von und das Verfügen über Daten, Konvergenten, Apparenten, Referenten und Ressourcen innerhalb der Weltmodi. Diese fünf Postulate könnten dazu beitragen, eine nachhaltige und ethisch fundierte Gestaltung der Annetzung durch Technologie und Imagination zu fördern, die alle Beteiligten berücksichtigt und vor Missbrauch schützt. Die Anwendung der neuen epistemologischen und ethischen Begriffe am Beispiel des Deus Capra verdeutlicht die Notwendigkeit, die terminologischen Rahmenbedingungen des Diskurses zu erweitern und zu verfeinern, um die Komplexität und Vielschichtigkeit der Annetzung zu erfassen.
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Durch die Befürwortung der Realität aller drei Weltmodi wird die herkömmliche Dichotomie zwischen real/virtuell in Frage gestellt und ein tieferes Verständnis der Dynamiken der Annetzung ermöglicht. Darüber hinaus adressiert die vorliegende Abhandlung, wie wir uns gegenüber dem neuen Weltmodus der Technologie positionieren sollen und betont die Wichtigkeit einer integrativen, interdisziplinären Diskussion, um die Herausforderungen der Annetzung benennen und beurteilen zu können. Die erkenntnistheoretischen und ethischen Überlegungen der Studie bieten damit neue Ansätze für die Mensch-Computer-Interaktions-Forschung, besonders in den Bereichen der Präsenz, im Prothesenvergleich, der Immersion und in der kaum beforschten Verbindung von Technologie und Imagination. Durch die vorgestellten Typologien und Terminologien wird eine neue Perspektive entfaltet, um das Handeln durch Technologien und Imaginationen strukturiert zu beschreiben und methodisch zu beurteilen. Die Ergebnisse der Abhandlung bieten somit zentrale Einsichten für die Weiterentwicklung sowohl erkenntnistheoretischer als auch ethischer Richtlinien, die sich mit den Implikationen der digitalen Transformation auseinandersetzen. Sie tragen dazu bei, nicht nur die technologische und die imaginative Welt, sondern auch die gegebene Welt besser zu verstehen und verantwortungsvoll zu gestalten.
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Kurzum: Wir sind so frei und verpflichtet, wie wir angenetzt sind.
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Buch hier beim Schwabe Verlag direkt bestellen.
Die Publikation wurde durch den SNF gefördert.

Department of Wild Humanities in Black Rock City, Nevada
Seit meinem ersten Burn im Jahr 2016 beschäftige ich mich intensiv mit dem Burning-Man-Projekt als gesellschaftlichem Experiment und als Entwurf einer amerikanischen Gegenkultur. Radikale Selbstentfaltung in einem wenig menschenfreundlichen Habitat, Inklusion als temporäres Paradies und ein Spielplatz für den homo ludens mit hundert ungeschriebenen Regeln und zehn offiziellen Prinzipien – all das prägt die Dynamik dieses nicht unbedingt ökologischen Festes der eigenen Natur. Seit über 30 Jahren verwandelt sich dabei am Ende der Woche der homo ardens in den homo incensus (den durch Flammen brennenden Menschen).
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Jedes Jahr organisieren wir einen kritischen Vortrag für Burgins (Erstteilnehmende) und Gegenkultur-Interessierte, um die gesellschaftlichen Codes, die eigene Sprache und die traditionellen Rituale dieser Gegenkultur zu vermitteln. Ihre Wurzeln reichen in die 1980er zurück – in die Kakophonie Society, den Suicide Club und schließlich zu Larry Harvey. Der Vortrag umfasst die wichtigsten Vorbereitungen für die Reise zum ausgetrockneten Salzsee in der Black Rock Wüste von Nevada, dem Land der Paiute, und zeigt auf, was es braucht, um ein*e Citizen der temporären Pop-up-City Black Rock City zu werden.
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Um zur Pop-up-City beizutragen, haben wir das Department of Wild Humanities ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein universitär anmutendes „Department“ in unserem Camp, das meist in der Nähe von 7:00 Uhr und I zu finden ist. Die Adressen in Black Rock City orientieren sich traditionell an den Höllenkreisen nach Dante und folgen einem uhrzyklischen Prinzip – so entsteht eine einzigartige, temporäre Stadtstruktur, die unsere Idee eines wilden, lebendigen Lehr- und Lernraums perfekt ergänzt.
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Durch das Department fördern wir intensive Gespräche und bereichern die Community mit spannenden Inhalten direkt aus dem akademischen Umfeld – fundiert recherchiert, jedoch immer unterhaltsam, verspielt und anwendbar.
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Verein der grossgewachsenen Frauen der Schweiz
2016 habe ich den Verein One Eighty Up Club gegründet, um großgewachsene Frauen in der Schweiz zu vernetzen und ihnen einen Raum für Austausch und Zusammenhalt zu bieten. Daraus ist inzwischen eine engagierte Community von mehreren Hundert Frauen entstanden, die alle über 180 cm groß sind und sich regelmäßig treffen, um Erfahrungen zu teilen und gemeinsame Aktivitäten zu gestalten. Neben der Förderung sozialer Kontakte berät der Verein Mütter und Töchter zu Fragen rund um einen möglichen hormonellen Wachstumsstopp. Unter dem Motto #BodyPositivity ermutigen wir bereits junge Frauen ab 16 Jahren, stolz zu ihrer Größe zu stehen. Seit 2019 bin ich nicht mehr Vereinspräsidentin, engagiere mich jedoch weiterhin als aktives Mitglied für die Ziele und Werte des One Eighty Up Clubs.​

Literarische Projekte
2006: Angelstore (Drama)
2009: Saligen - eine Moritat über das Schicksal (Drama)
2010: Gänseblümchenpoesie (Gedichtband)
2010: Geschichte einer dicken Frau (Kurzgeschichte)
2013: Die Geliebten des Verstorbenen (Novelle)
2015-2019: Rosen duzt man nicht (Romanentwurf)
2017: Eine fremde in Bochum & Der Bauer (Kurzgeschichten)
2018: Ein bisschen weniger mehr (Kurzgeschichte)
2019-heute: Privates Schreibprojekt für einen Kunden
2020-heute: Auf dem Ast (Romanentwurf)
2024-heute: Wochentage der Metaphysik
2024-heute: Das Denken fühlen
